Montag, 21. Oktober 2019

Was schön wäre, liebe Bahn

Ja, ich bin ein Opfer. Ein Opfer der Klimahysterie sogar. Ich wollte dieses Jahr nicht in den Urlaub fliegen. Familienurlaub war bisher ausgefallen wegen teurem und zeitaufwändigem Haus-Umbau. Die Kinder waren gefühlt ständig unterwegs, Austausch hier, Klassenfahrt da (alle drei in einem Jahr, gut, wenn die Reisekasse dafür gefüllt ist), dann noch mal Sommercamp mit den Johannitern etc. Es läpperte sich.

Aber ich wollte auch gern ein paar Tage wegfahren. Nach längeren Diskussionen ("Nein, Paris!", "Nein, Centerparc") wurde es wundersamerweise Brüssel, auf das sich alle einigen konnte. Und was mir sehr entgegen kam, denn ich hatte da noch ein paar Erinnerungen von vor zwanzig Jahren abzugehen.

Dann also die Reise planen. Fliegen wäre mir bei der Entfernung eh albern vorgekommen, das haben wir ganz außen vorgelassen. Mein Mann wäre für Autofahren gewesen, mit einem vollbesetzten Fünfsitzer wäre das sicher auch umwelttechnisch vertretbar gewesen. Aber ich weiß, dass ich nicht Autofahren kann wie die Belgier (Brüssel ist sehr voll, es wird sehr rücksichtsvoll, aber eben auch sehr mit internalisierten Regeln, die nicht unbedingt auf Verkehrsschildern stehen, gefahren, so zumindest mein Eindruck). Außerdem finde ich Autofahren auf langen Strecken anstrengend!

Bahn, das war schon fast gesetzt. Und das war dringend nötig, denn sonst hätten wir es vielleicht nicht so durchgezogen, bei den Steinen, den die Bahn uns in den Weg legte.

Das fängt mit der Verbindungssuche an. Verbindungen geht noch, Preise sind eine ganz andere Sache. Da gibt es Super-Sparpreise für Europa, sobald Verkehrsmittel aus anderen Ländern (bei Brüssel ist das vorzugsweise der Thalys) ins Spiel kommen, kann leider gar kein Preis angezeigt werden, nur für die reinen ICE-Verbindungen geht das. Dann gibt es inzwischen zwei Bahncards in der Familie und die Webseite orakelt nur "es könnte günstiger sein, wenn sie getrennt buchen". Ja was denn getrennt? Zwei und drei? Vier und eins? Es gibt eine Webseite, die natürlich nicht der Bahn selber gehört, die kann ein bisschen von dem, was ich gern hätte. Aber ich weiß: Den günstigsten Preis kriege ich da wahrscheinlich nicht.

Also ab ins Reisezentrum, wie so ein Rentner, der nicht ins Internet möchte. Ich würde ja! Ich möchte! Ihr lasst mich nicht!

Zeit raussuchen, wann die auch offen haben. Strategisch planen, wann es da voraussichtlich nicht so voll ist (nicht zu Pendlerzeiten. Nicht an Tagen, an denen es stürmt oder anderweitig der Bahnverkehr zum Erliegen kam, da dann die Schlangen von Gestrandeten Bahnfahrern vor den Schaltern sich bis um drei Ecken winden). Sitzt natürlich nur noch 1 Mitarbeiter am Schalter in unserer kleinen Vorstadt (ca. 160.000 Einwohner), die Bahn ist da schlank aufgestellt. Kompetente Beratung, aber ich glaube wirklich, dass wir so die beste und günstigste Verbindung bekommen haben. Unkompliziert nenne ich allerdings anders.

Zum Vergleich: Flüge kann ich problemlos selber buchen. Flixbus wäre eine echte Alternative, da war selbst mein kühner Plan "Vielleicht erst Brüssel, dann mit dem Zug durch den Tunnel unterm Kanal und dann von London aus zurück" buchbar gewesen. Aber gut, wir machen es uns gemütlich. Einmal umsteigen in Köln, das mit komfortablem Puffer von 40-50 Minuten. Klappt.

Rückfahrt: Nicht so gut. Der Zug ab Köln fällt aus, kaputt. Ersatzweise über Hannover (also einmal mehr umsteigen), da werden natürlich so gut wie alle Menschen aus dem kaputten Zug hin umgeleitet. Sitzplatzreservierungen für diesen überfüllten Zug 15 Minuten vor Abfahrt? Der Herr am Schalter lächelt nicht mal amüsiert, als ich frage.

Wir stürmen den Zug, die Kinder sind instruiert: Hinsetzen auf alles, wo nicht "Köln-irgendwas" steht. Zumindest ein paar Stationen könnt Ihr dann vielleicht sitzen. Klappt so semi. Eine Station sitzen alle. Dann stehen zwei (darunter ich). Dann stehen vier und ich darf mich dafür setzen (familieninterne Fairness oder so). Dann sind wir endlich in Hannover. Die Dame mit den zwei kleineren Kindern (so drei und fünf Jahre alt, schätze ich) ist eindeutig schlechter dran als wir, sie telefoniert verzweifelt mit dem Mann, ob es wohl jetzt sinnvoller wäre, in Hannover umzusteigen oder bis Berlin durchzufahren. Ein Kind heult dabei, das anderes steht mit großen Augen daneben. Immerhin versucht es nicht abzuhauen.

Also "klar ist Bahnfahren a...teuer, aber gemütlich", das ich mir vorgestellt hatte - das klappt halt nicht unbedingt. Beim Fliegen weiß ich, dass ich zumindest sitzen werde auf der Ersatzstrecke. Auch, dass die Fluglinie sich im Normalfall kümmert, dass ich eine Ersatzstrecke kriege! Bei der Bahn klappt das wohl nur für die 1. Klasse, und selbst da wäre ich mir mit Sitzplatzgarantie nicht sicher. Das einzige, was ich für das vermurkste Urlaubsende zurückbekomme, sind evt. die 18 Euro Reservierungsgebühr. Wirklich, schlagt es auf den Preis drauf, aber überbucht dafür nicht! Das geht in Frankreich doch auch. Soweit ich weiß, kommt man da nur in den TGV, solange noch Plätze vorhanden sind. Im Auto darf auch jeder sitzen, auch im Stau.

Ja, es fällt nicht jedes Mal ein Zug aus. Aber inzwischen doch oft genug, dass ich das anscheinend als reale Möglichkeit einplanen muss und erst mal schauen, ob ich und meine Mitreisenden dafür geeignet sind. Für Schwangere, Behinderte, Menschen mit kleinen Kindern, alte Menschen, die nicht mehr so eben eine Stunde im schwankenden Zug stehen können oder wollen - vielleicht nicht unbedingt anzuraten.