Montag, 25. Juli 2016

Wie sich Normalität durch Gesetze verändert

In meine fruchtbare Zeit fiel die Änderung von Erziehungsgeld zu Elterngeld. Bei den ersten zwei Kindern gab es zu Zeiten des Erziehungsgeldes aufgrund von zu hohem Familieneinkommen fast nichts.

Immerhin hieß die Zeit, die man hauptsächlich mit der Betreuung seiner Kinder verbrachte, schon damals "Elternzeit" und nicht mehr "Erziehungsurlaub" - wie noch bis 2001. Da ich bei beiden Kindern früh wieder arbeiten ging und das Familieneinkommen über 30.000 EUR lag, hatte sich das geldmäßig für uns nicht gelohnt. Es brachte aber die Sicherheit, bis zu drei Jahre nicht gekündigt werden zu können.

Dieses Recht gab es ab 1986 und damit war als "normal" festgelegt, dass das Kind die ersten drei Jahre, meist mit der Mutter, zu Hause blieb. Danach Kindergarten. Entsprechend sah die Zahl der Kita-Plätze für Unter-Dreijährige aus, zumindest in Ex-Westdeutschland.

Mein Glück war, schon ab dem ersten Kind im Bundesland mit den meisten Krippenplätzen im Westen zu wohnen - Hamburg. Hier gab es zumindest für knapp 30% der Kinder unter 3 Plätze. Aber doch eher die größeren Unter-Dreijährigen, unter einen Jahr war wirklich die große Ausnahme.

Was sich auch durch das geltende Gesetz erklärt: Erziehungsgeld gab es maximal zwei Jahre. Bei einem eher niedrigen Familieneinkommen war das durchaus ein Grund, weshalb im dritten Lebensjahr des Kindes dann beide Elternteile wieder arbeiten gingen. Und ein Kritikpunkt am ursprünglichen Elterngeld: Fördert vor allem Gutverdiener, während Erziehungsgeld explizit für niedrigere Einkommensgruppen geschaffen wurde. Und bot ursprünglich nichts im zweiten Lebensjahr des Kindes, während Erziehungsgeld immerhin zwei Jahre lang 300 Euro monatlich waren.

Zu Zeiten als meine Mutter noch jung und berufstätig war, war es wohl so, dass die Mütter entweder direkt nach dem Mutterschutz (= acht Wochen nach Geburt!) zurückkamen an den Arbeitsplatz - oder eben nicht mehr. "Und dann saßen die da und haben ihre Babys vermisst", so erzählt sie von der Arbeitsstelle. Rückkehr dann natürlich in Vollzeit, denn Recht auf Teilzeit kam mit dem Bundeserziehungsgeldgesetz, also seit 1986 - bzw. für alle Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob Eltern oder nicht, seit 2001 und dem Gesetz zu Teilzeit und Befristung.

Entsprechend war bei meinen ersten beiden Kindern halbtags die Norm bei der Kindertagesbetreuung. Bei meinen 35 Stunden Arbeit pro Woche musste das Kind oft bis Kita-Ende in der Betreuung bleiben. Und war da oft der letzte, der abgeholt wurde. Natürlich wirkt das normierend, wie man zum Beispiel die Arbeits- und Betreuungszeiten beim zweiten Kind plant.

Inzwischen gibt  es eine neue Normalität, das durfte ich miterleben, weil wir ja noch ein drittes Kind hinterherschieben mussten, das in die Zeit des Elterngeldes, also ab 2007, fällt: Ab 1 Jahr arbeiten alle  (ok, viele, aber hier in der Großstadt wohl schon die Mehrheit) wieder. Stellen das so wenig in Frage, dass sie zum Teil sogar am 1. Geburtstag ihres Kindes den ersten Arbeitstag machen und nicht Geburtstag feiern können. Als ob es ein Gesetz gäbe, das sagt: Genau 1 Jahr und keinen Tag mehr.

Klar, der 1 Tag oder die zwei Wochen oder wie viel man sich gönnt, sind unbezahlt. Aber hey, hört mal. 1 Tag, damit ihr den Geburtstag des Kindes feiern könnt? Vielleicht noch einen zweiten, um aufzuräumen und sich zu erholen. Das sollte doch bei den meisten drin sein.

Wie viele Stunden die Kinder inzwischen durchschnittlich täglich betreut werden? "Spätdienst" klingt immer noch ein bisschen nach "außergewöhnlich" (und nicht so beliebt im Kindergarten). Spätdienst beginnt in Kita und Schule hier (Hamburg) ab 16.00 Uhr. Nicht so richtig spät für Berufstätige im Büro. Laut Destatis werden die Kleinen schon recht viele Stunden täglich/wöchentlich betreut, nämlich 38 Stunden. Das könnte für die Eltern eine gute Teilzeitstelle plus Wegezeiten sein. Eine andere mögliche Option: Einer bringt das Kind, arbeitet dafür lange, der andere holt ab, arbeitet dafür schon früher.

Ob das jetzt insgesamt gut oder schlecht ist, das will ich hier gar nicht beurteilen (wer könnte das schon). Aber dass das Gesetz zum Elterngeld und zum Betreuungsausbau hier die Realität verändert hat, ist wohl unverkennbar.

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