Donnerstag, 12. Mai 2016

"Das Internet hat mich dick gemacht"

Dieses Jahr war ich leider nicht bei der re:publica. Da aber wie üblich das halbe mir bekannte Internet dort vertreten war und ich von einigen SprecherInnen aus den vergangenen Jahren weiß, wie gut sie waren, habe ich natürlich einiges an Vorträgen, die ich mir nun auf YouTube anschauen darf.

Zum Beispiel: "Das Internet hat mich dick gemacht" von Journelle. Sehr kurz (hoffentlich nicht entstellend) zusammengefasst: Über das Internet finden sich Menschen mit ähnlichen Einstellungen viel leichter zusammen, die vorher wenig Chancen hatten, einander zu treffen und zu ermutigen. Das kann einen stärken, wenn man eine Meinung vertritt, die im eigenen Umfeld nicht unbedingt mehrheitsfähig ist. Beispiel: Wenn ich dick bin, ist das ok und geht keinen etwas an als mich selber und eventuell ein paar Menschen, die mir sehr nahe stehen.

Und warum finde ich das gut? Weil ich mich selber gerade jetzt im Sommer dabei ertappe, wie mir fast jede Minute ein Gedanke der Art "Wie sieht die denn aus" (dabei innerliches, leicht abfälliges Naserümpfen) durch den Kopf geht. Und das will ich nicht! Als ob mich das tangieren müsste! Als ob irgendjemandem mit diesem Gedanken irgendetwas genützt wäre. Mir selbst geht es damit nicht besser. Ich weiß höchstens, wie oft ich selber wohl dem unausgesprochenen Urteil anderer ausgesetzt bin. Und fühle mich schäbig für die Abwertung anderer rein anhand von Äußerlichkeiten. Und der anderen Person ist erst recht nicht geholfen, die den Blick vielleicht bemerkt und sich verletzt fühlt.

Es geht gar nicht darum, dass ich mir Gedanken verbieten und mich selbst zensieren will. Es geht viel mehr darum, weshalb diese Gedanken sich überhaupt in meinem Kopf festsetzen konnten. Welches Schönheitsideal reproduziere ich (und ich bin mir sehr sicher: nicht nur ich) hier mit Macht? Wie kommt das? Warum denke ich stattdessen nicht lieber über Dinge nach, die mich interessieren und mir Spaß machen? Die andere weiterbringen würden?

Ich glaube, Laurie Penny hat mal formuliert, wie viel positive Energie zusätzlich in der Welt wäre, wenn Frauen aufhören würden, so viel um das Thema "Was wiege ich und wie sehe ich damit aus" zu kreisen. Weniger als Vorwurf (es gibt ja jede Menge Gründe dafür, die nicht auf persönlicher Ebene liegen), sondern als Ermächtigung und Ermutigung.

Von daher: Mehr Liebe für den eigenen Körper. Wir werden nie wieder so gut aussehen wie heute. Und wenn wir unser Aussehen jetzt schon nicht lieben, wie wollen wir dann damit fertigwerden, 60 oder 70 oder 80 zu sein? Und wenn wir 70 oder 80 sind und uns zurückerinnern, wie wir unsere Zeit vergeudet haben mit Gedanken darum, ob wir jetzt besser den Bauch einziehen und ob dieses T-Shirt den Bauch nicht zu sehr betont - wird uns das glücklich machen?

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